Apfelbäumchen


Ich wollte doch nur den genauen überlieferten Wortlaut überprüfen, da findet mich eine Rundfunkandacht.

Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Martin Luther hat den Satz gesagt. So ist es überliefert. Ob der Reformator das wirklich so gesagt hat, ist umstritten. Ich finde aber, der Satz zeigt tiefes Gottvertrauen und steht für eine richtig trotzige Zuversicht: Die Welt mag untergehen, aber ich glaube trotzdem an eine Zukunft! Beides ist typisch Luther. Und darum darf man ihm diese frommen Worte getrost in den Mund legen.

Gerade das Fruchtbare mit dem Apfelbäumchen gefällt mir. Wo Menschen Zerstörung erleben, da möchte ich nicht aufhören zu glauben, dass Neues wachsen kann. Gerade jetzt, wenn ich das unglaubliche Elend der Menschen sehe im Nahen Osten oder der Ukraine. Wo man wirklich den Eindruck bekommt, da geht gar nichts mehr. Ich wünsche diesen Menschen dort, dass ihnen ihr Glaube oder das Leben eine Hoffnung gibt: Das Leben geht weiter, es gibt einen neuen Anfang!

Apfelbaum pflanzen – das heißt für mich Weiterschauen, über den eigenen Horizont hinaus. Es ist typisch bei uns, finde ich, in unserer sehr Ich-zentrierten Gesellschaft: Wenn Menschen das Gefühl haben, da kommt etwas Bedrohliches, dann ist die Reaktion: Ich bringe noch schnell mein Hab und Gut ins Trockene. Da möchte ich mich anders verhalten. Erst recht da, wo das auf Kosten anderer geht. Da wo Menschen ausreißen, möchte ich neu anpflanzen.

Und noch etwas gefällt mir an diesem Spruch von dem Apfelbäumchen: Der Apfelbaum steht in der Bibel im Paradies und ist dort das Sinnbild für Verführung. Sie erinnern sich? Die Geschichte mit Adam und Eva und dem Apfel, den sie nicht essen dürfen. Bei Luther wird der Apfelbaum zu einem Zeichen der Hoffnung. Das ist ebenfalls eine schöne Botschaft zwischen den Zeilen: Das was für Verführung steht, für etwas Zwiespältiges, das kann sich verwandeln, zu etwas Gutem.

Der Reformator Martin Luther liebte die Fülle der Natur. Das frische Grün der Bäume im Frühling und Sommer erinnerte ihn an die „Gnade Gottes“, also die Liebe Gottes hier auf Erden. Und so möchte ich, auch wenn die Welt morgen nicht untergeht, heute Zeichen setzen gegen Resignation, Weltschmerz und Verdruss. Also den Menschen um mich herum zeigen, dass mir die Welt nicht egal ist, und ich mir selbst auch nicht nur am nächsten.

Ich möchte Menschen in meinem persönlichem Umfeld Mut machen. Indem ich die, die krank sind, besuche. Indem ich mir in der Hetze des Alltags mal ein paar Minuten mehr Zeit nehme, Menschen zuzuhören und nachzufragen: Wie geht es dir eigentlich? – Auch das ist für mich eine Art, einen Apfelbaum zu pflanzen, ein Apfelbäumchen für die Seele.

Und wenn es mir mal schlecht geht, hoffe ich auf einen lieben Menschen, der auch mir sagt: „Komm, auch wenn Du das Gefühl hast, dass morgen die Welt oder zumindest deine Welt untergeht, lass dich nicht runterziehen. Pflanze heute noch einen Apfelbaum. Und wenn Du magst, ich helfe Dir dabei!

Joachim Gerhardt Kirche im WDR 15.09.2014

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